Am 22. März 2016 kam mein Sohn Henri zur Welt. Seitdem ist nichts mehr wie es vorher war. Man sagt immer, so ein Kind stellt alles auf den Kopf. Aber so richtig vorstellen kann man es sich nur – finde ich – wenn man es selber erlebt. Die ersten Monate waren ziemlich hart, weil Henri sehr viel geschrien hat und ich ihm seine Koliken nicht nehmen konnte.
Da freut man sich neun Monate auf den geplanten Nachwuchs – und wird schlagartig auf den Boden der Tatsachen geholt. Die romantisierte Vorstellung, dass nach der Geburt alles tippi toppi ist, entpuppt sich als Trugschluss. Denn da geht der Stress erst richtig los. Wie gesagt, seit Henris Geburt ist nichts mehr wie vorher. Viele Frauen haben ein paar Tage den sogenannten „Babyblues“, nicht Wenige entwickeln auch eine richtige postnatale Depression. Der größte Einschnitt – neben dem Schlafmangel – ist, dass man keine Zeit mehr hat. Keine Zeit für sich, für Hobbies, für Sport und auch für die Arbeit.
Elterngeld ist im Vergleich mit anderen Ländern Luxus
Wir in Deutschland sind privilegiert, dass wir uns 12 bzw. 14 Monate Vollzeit um unser Kind kümmern können – und dabei finanziell vom Staat unterstützt werden. In vielen anderen Ländern müssen die Frauen nach zwei, drei, spätestens sechs Monaten wieder an den Schreibtisch zurückkehren. Das ist gut und schlecht zugleich. Gut, weil dann gar keine Diskussion um den Wiedereinstieg in den Beruf aufkommt. Schlecht, weil die meisten Frauen vor allem in den ersten Monaten möglichst viel Zeit mit ihrem Säugling verbringen möchten.

Natürlich macht ein Kind glücklich, aber es ist auch wahnsinnig anstrengend.
Ich habe im Mai 2015 mein Startup „Deine Korrespondentin“ gegründet: Ein digitales Magazin, bei dem zehn freie Auslandskorrespondentinnen über spannende Frauen weltweit berichten. Die Anschubfinanzierung bekamen wir über Crowdfunding, danach habe ich beim Berliner Inkubator „Project Flying Elephant“ das Handwerkszeug fürs Unternehmertum mitbekommen und mich mit vielen anderen Startups ausgetauscht. Bis kurz vor der Entbindung saß ich vor dem Laptop und habe Texte koordiniert, redigiert, online gestellt, Honorare überwiesen, mit Regionalzeitungen kommuniziert und an der Gesamtstrategie gefeilt. Von April bis Oktober 2016 hat mich Veronika Eschbacher, freie Korrespondentin in Los Angeles, vertreten.
Obwohl ich mich rund um die Uhr um Henri kümmern musste – mein Mann arbeitet weiter in Vollzeit – trudelten täglich Emails ein, die ich beantworten musste. Außerdem habe ich mit torial Academy eine sechsteilige Webinar-Reihe zum Thema „Trends im Journalismus“ aus der Taufe gehoben und moderiert. Viele Vortragsanfragen lehnte ich ab, weil das gerade in den ersten Monaten mit einem enormen logistischen Aufwand verbunden war. Wenn man, wie ich, stillt, muss das Baby mit und während des Auftritts anderweitig betreut werden.
Mein Mann und ich hatten Glück und bekamen ab Oktober einen Platz in der Kita. Allerdings hat die Eingewöhnung nicht so geklappt wie wir uns das vorgestellt haben. Henri hat viel geweint und ließ sich nur von mir beruhigen. Nach acht Wochen haben wir uns für eine Kita-Pause entschieden und da ich ad hoc keine passende Tagesmutter gefunden habe, habe ich ihn weiter Zuhause betreut.
Gleichzeitig musste ich mein digitales Magazin „Deine Korrespondentin“ am Laufen halten, damit nicht alles flöten geht, was ich in den letzten eineinhalb Jahren aufgebaut habe. Eine Herkulesaufgabe. Denn wenn man ab halb fünf Uhr morgens mit Babysitting beschäftigt ist, ist es utopisch zu glauben, dass man sich abends noch an den Laptop setzen könnte. Also blieben nur die Wochenenden, um das Nötigste zu erledigen.
Bei alledem wurde mir klar, wie wichtig eine Fremdbetreuung durch Kita, Tagesmutter oder Kinderfrau ist, wenn man bald wieder beruflich einsteigen möchte. In meinem Umfeld stehe ich mit dem Thema Vereinbarkeit von Kind und Karriere ziemlich alleine da. Die meisten Mütter, die ich in irgendwelchen Kursen (Geburtsvorbereitung, Rückbildung, Babymassage, Babyschwimmen, Pekip etc.) kennengelernt habe, haben einen festen Job und sind ganz froh, mal eine Zeit lang nicht arbeiten zu müssen.
Ich hingegen liebe meinen Beruf. Ich bin aus voller Leidenschaft Journalistin. Ich könnte mir nie vorstellen, ausschließlich Mutter zu sein. Und genau hier kommt die Krux. Viele Frauen Anfang, Mitte 30 wollen ein oder zwei Kinder. Und früher oder später wollen sie auch wieder arbeiten. Allerdings steigen die meisten in Teilzeit wieder ein – und steigern ihr Pensum auch nie wieder auf Vollzeit, weil es ihnen schlichtweg zu stressig ist. Job, Kind und Haushalt unter einen Hut zu bekommen, ist auch ganz schön anstrengend.
Weil mich das Thema im Moment sehr umtreibt, habe ich gerade auch ein Buch dazu gelesen, das ich an dieser Stelle empfehlen möchte. Dort heißt es auf Seite 157 unter dem Kapitel „Wahnsinn Alltag: Jetzt den Kopf oben behalten“:
„Wenn Isabel Hochgesand junge Mitarbeiterinnen coacht, skizziert sie folgende Situation: Ein gefüllter Wasserkrug, mehrere leere Becher. Diese Becher soll ihr Coachee mit Begriffen beschriften, die ihr wichtig sind und für die sie Zeit aufwendet: Beruf, Familie, freunde, Sport, Feiern, Schlaf etc. Anschließend ist das Wasser entsprechend den Prioritäten, die die Mitarbeiterin diesen Themen zuspricht, zu verteilen. Steht jemand am Anfang ihrer Karriere, wird sie sicher viel Wasser in den Berufsbecher füllen, geht sie leidenschaftlich gerne feiern, ist der Schlafbecher weniger gefüllt. „Wichtig ist, dass man sich bewusst macht, dass man nur eine bestimmte Menge an Wasser, also Zeit, zu verteilen hat“, sagt Hochgesand, Geschäftsführerin bei Procter & Gamble. Mit der Geburt des ersten Kindes kommt ein Familienbecher hinzu, der auch gefüllt werden will – ohne dass allerdings mehr Wasser zum Verteilen da ist. Woher holt man sich das Wasser? Aus dem Feierbecher? Dem Berufsbecher? Stell man seine Hobbys zurück?“
Mein Mann und ich haben nach neun Monaten noch nicht die richtige Mischung gefunden. Am Wochenende nimmt er mir den Kleinen ab, während ich mich durch meine nicht enden wollende To-Do-Liste ackere. Gemeinsame Zeit verbringen wir kaum noch. Gemeinsame Abende auch nicht, weil wir so müde sind, dass wir um halb neun ins Bett gehen. Fürs neue Jahr haben wir uns vorgenommen, einen Babysitter zu organisieren. Und ab Januar 2017 geht Henri erneut in die Kita. Wir hoffen, dass die Eingewöhnung dieses Mal klappt und ich wieder fünf, sechs Stunden am Tag Zeit habe, meiner Aufgabe als Chefredakteurin von „Deine Korrespondentin“ nachzugehen.
Alles eine Frage der Organisation
Ich will mit diesen Zeilen andere Frauen, die sich Kinder wünschen, nicht entmutigen. Im Gegenteil! Ich bin überzeugt, es ist alles eine Frage der Organisation. Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten wollen, bekommt man das sicher hin. Man muss es nur wollen! Was ich damit sagen will ist, dass man sich mit Kind auf eine extrem anstrengende erste Zeit einstellen muss.
Ich habe schon vieles in meinem Leben gemacht, war viel im Ausland, bin viel gereist, habe unter schwierigen Bedingungen recherchiert etc. Ich dachte immer, mich haut so schnell nichts um. Aber da hatte ich Henri noch nicht auf dem Zettel. Mein Leben ist jetzt nicht besser oder schlechter, es ist einfach anders. Gleichzeitig bin ich davon überzeugt: Kind und Karriere, das geht zusammen. Gerade 2017.
Hi Pauline, danke für deine Zeilen. Und Mut das zu teilen. Ist nicht immer alles eitel Sonnenschein, Kinder halten einen auf Trab – Arbeit wird da zum „Hobby“, Papa/Mama eine 300% Stelle… Das FAZ Buch habe ich auch überflogen. Schreibst du diesen Post noch weiter, 2017 Rückblick und 2018 Ausblick…